Am Mittwoch den 21. November durften wir
(PHTG SEK II Studenten) als Teil unseres Berufspädagogikmoduls das CYP (Centre for
Young Professionals) in Zürich besuchen. Hier absolvieren Lernende an den
Beruffachschulen ihre überbetrieblichen Kurse. Als Berufsschullehrperson
war es hoch spannend zu sehen was - und auch wie - ‚unsere’ Schüler hier – an ihrem dritten
Ausbildungsort - lernen.
In Bezug auf unsere Erfahrungen an der CYP
möchte ich nun die untengestellte Frage diskutieren:
Wenn
sich Berufspädagogik von der allgemeinen Pädagogik hauptsächlich unterscheidet
durch ihre konstitutive Verknüpfung mit der Arbeitswelt und der beruflichen Praxis,
wo würdest du denn Unterschiede festestellen aus didaktisch/pädagogischer Sicht
gegenüber dem Gymnasium? Und welche didaktisch-pädagogischen Ansätze (aus
heutiger wissenschaftlicher Sicht) unterscheiden sich deiner Meinung nach nicht
gross. Begründe deine differenzierten Gegenüberstellungen.
Es muss unbedingt betont werden, dass das
CYP nur in Verbindung mit den überbetrieblichen Kurse der Bankenlehrlinge eine
Rolle spielt und also auf gar keinen Fall als representativ für alle
Berufsbildungen in der Schweiz gesehen werden kann. Die Berufsbildung schliesst
bekanntlicher Weise drei Ausbildungsorte mit ein, - die Beruffachschule, den
Betrieb und die Ausbildungsintanz der überbetrieblichen Kurse. Nichtsdestotrotz
beziehe ich mich für diesen Vergleich zwischen Berufspädagogik und Gymnasialpädagogik
auf das CYP und ihr Bildungskonzept wohlwissend, dass dies nur eine Tendenz zeigen
kann und niemals das ganze Bild. Auch die Gymnasien fallen hier möglicherweise ein
wenig einseitig aus, zumal ich mich für diesen Vergleich auf die Maturitätsschulen im
Thurgau und ihren Rahmenlehrplan konzentriert habe.
BILDUNGSZIELE
Wenn wir die Grobziele der Bildung in den zwei
Instanzen anschauen, sieht man schon die ersten Unterschiede. Wo das CYP das
oberste Bildungsziel fest mit den beruflichen, praktischen Kompetenzen
verbindet, lernt man an den Kantonsschulen eher wie man am besten lernt.
Im CYP-Bildungskonzept heisst es:
Als
oberstes Ziel wurde deklariert, dass der Lernende seinen Lernprozess selbstständig
und eigenverantwortlich gestaltet, um für die Herausforderungen der Berufswelt
bestens vorbereitet zu sein. (CYP-Bildungskonzept, S.5 / für den Link bitte auf der Seite runterscrollen und auf PDF-Datei clicken)
In der Maturitäts-Anerkennungsverordnung
(MAV - öffnet dazu das PDF-Datei) wird wie folgt argumentiert:
Ziel
der Maturitätsschulen ist es, Schülerinnen und Schülern im Hinblick auf ein
lebenslanges Lernen grundlegende Kenntnisse zu vermitteln sowie ihre geistige
Offenheit und die Fähigkeit zum selbständigen Urteilen zu fördern. Die Schulen
streben eine breit gefächerte, ausgewogene und kohärente Bildung an, nicht aber
eine fachspezifische oder berufliche Ausbildung. (MAV,
Seite 2)
UNTERRICHTSGESTALTUNG UND METHODEN
Inhaltlich gesehen sind viele
didaktisch-pädagogische Ansätze in der Bildung meiner Meinung nach sowohl für
die Berufsmaturanden wie auch für die Gymnasialschüler und – Schülerinnen
geleichermassen von Bedeutung. Ich denke da beispielsweise an die Kompetenzorientierung,
die im heutigen Unterricht grosses Gewicht beigemessen wird, sowohl was Fach-
und Methodenkompetenzen anbelangt als auch die Personal- und Sozialkompetenzen. Zusätzlich wird in der heutigen Didaktik auf
die Handlungsorientierung grosses Wert gelegt
und auch auf die individuelle Förderung mit
Rücksicht auf die verschiedenen Lerntypen (vgl. Gardner). Des Weiteren
werden die konstruktivistischen Prinzipien von Kersten Reich, mit individueller
Wahlfreiheit und selbst-konstruiertes Wissen heute gross geschrieben. Vernetztes Lernen ist auch selbstverständlich und heute nicht mehr weg zu denken. Man könnte
die Liste noch viel, viel weiter führen....
Wo aber CYP diese didaktisch-pädagogische
Ansätze klar und deutlich in ihrem Bildungskonzept integriert und im Detail beschreibt (vgl. dazu CYP Bildungskonzept), ist MAV und auch die kantonalen Rahmenlehrpläne für Maturitätsschulen viel weniger spezifisch. Es wird zwar betont, dass die Maturanden fähig sein
sollen sich den Zugang zu neuem Wissen
zu erschliessen, ihre Neugier, ihre Vorstellungskraft und ihre
Kommunikationsfähigkeit zu entfalten sowie allein und in Gruppen zu arbeiten.
Sie sind nicht nur gewohnt, logisch zu denken und zu abstrahieren, sondern
haben auch Übung im intuitiven, analogen und vernetzen Denken. Sie haben somit
Einsicht in die Methodik wissenschaftlicher Arbeit. (Rahmenlehrplan für die Thurgauer Maturitätsschulen, S.5). Genau wie dies von statten gehen
soll, ist aber nicht definiert. Es heisst einzig: Bildung ist ein dynamischer Vorgang, bei dem nicht nur das Ergebnis,
sondern auch die Wege und die begleitenden Impulse wichtig sind. Die Schulen
bemühen sich mit Hilfe von sachgemässer Lehr – und Lernmethoden um eine
zielgerichten Unterricht. (Rahmenlehrplan für die Thurgauer Maturitätsschulen, S.6)
Gemäss Interview mit Frau
Kuhn-Senn an unserem Besuchstag führen CYP exact ähnliche, wohldurchdachte, erprobte und
vorgeschreibene Unterrichtssequenzen gleichzeitig an allen 12 CYP Ausbildungszentren in der ganzen Schweiz durch. Den Gymnasiallehrpersonen
wird sehr viel mehr Freiraum und Individualität in der Gestalung ihren Unterricht
eingeräumt. Ob hier also tatsächlich an
den gezielten Fähigkeiten gearbeitet wird, hängt zu einem grossen Teil von den
Lehrpersonen selber ab. In der CYP sind die Vorgaben so genau gegeben, dass es für Freiräume fast keinen Platz hat.
FACH – UND ANDERE KOMPETENZEN
Wo auf den Gymnasien traditionell die Fachkompetenzen in Vordergrund stehen (- gute
Schüler = vieles Lernen /vieles Auswendiglernen = gute Ausbildung) (ThurgauerRahmenlehrplan der Maturitätsschulen, S.5), werden auf den Beruffachschulen
vermehrt Gewicht auf die Personal- und Sozial-Kompetenzen gelegt. Das
CYP-Bildungskonzept begründet diesen Fokus damit, dass heutzutage die beruflichen
Inhalte sich sehr schnell ändern können. Somit bringt uns ‚altes’ Wissen nicht
sehr viel weiter. Was wir heute in der Berufswelt benötigen, ist viel mehr
Kompetenzen die uns die Fähigkeit gibt, selbstständig für neue beruflichen
Inhalte erfolgreiche Vorgehensstrategien zu entwicklen (CYP-Bildungskonzept S.2).
Des Weiteren besagt das CYP-Bildungskonzept
(S.24):
dass
ein Wissen, dass nur auswendig gelernt wird, nicht in seiner Bedeutung wirklich
erfasst und in späteren Situationen nicht wirklich verarbeitet und auf neue
Fälle transferiert werden kann.
So müssen die Lernende am CYP für ihren
eigenen Unterricht aktiv werden und nicht nur auswendig lernen. Sie müssen beispielsweise
ihre Unterrichtstage selber organisieren. Sie müssen vorgängig zum
Präsenzunterricht Stoff behandeln und eine Vorprüfung darüber ablegen. Am
Präsenztag müssen sie selbstorganisiert zum Tagungsort reisen. Nachträglich müssen
die Lernende sicherstellen, dass sie die Nachprüfung innert der vorgegebenen Frist
absolvieren. Es werden also an sie hohe
Ansprüche gestellt.
Diese hohen Ansprüche sind fest
eingebaute Teile des Lernens. Die Schüler üben – sozusagen nebenbei – die
Personalkompetenzen. Die äusseren Rahmenbedingungen helfen mit das Erlernen der
Selbstkompetenzen zu fördern. Dieses Aspekt ist bei den Gymnasialschülern sehr
wenig bis gar nicht vor Handen.
Die Frage der Divergenz zwischen Berufs-
und Gymnasialpädagogik ist also nicht unbedingt eine Frage der
didaktisch-pädagogischen Bildungsmethoden,
sondern viel mehr eine Frage der äusseren Rahmenbedingungen, was sich wiederum
in den didaktischen-pädagogischen Bildungsinhalten
wiederspiegelt.
Abschliessend möchte ich gerne sagen, dass mein
Besuch an CYP mir sehr imponiert hat, - die Professionalität, die Klarheit der
vorgegebene 140 Lernziele, das Blended Learning mit den Tablets, die Unterrichtssequenzen mit drei Coaches und Trainers für eine
Gruppe, die Lokalitäten... Ich würde hier ganz gerne Schülerin sein!!
Als Lehrperson würde ich aber viel lieber an einer Kantonsschule arbeiten, da ich dort den Unterricht freier und kreativer gestalten könnte.
Ich danke für die einzigartige Erfahrung!!
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